Da wir selber seit einigen Jahren keine Milchkühe mehr halten, haben wir natürlich auch keine Geburten auf unserem Betrieb. Folgerichtig kaufen wir unsere Kälber von anderen Landwirten. Im letzten Herbst/Winter ergab sich die Möglichkeit, nur noch Tiere aus einem Bestand zu erwerben. Anna, die einen Biolandbetrieb in Sachsen-Anhalt besitzt (aus Niedersachsen kann man den Hof fast sehen) und ich haben uns auf Fortbildungen bei der Landwirtschaftskammer in Echem kennengelernt. Nachdem wir mehrere Jahre weibliche Kälber aus Bayern aufgezogen haben, wollten wir gerne Tiere aus dem näheren Umfeld beziehen. Durch Zufall kamen Anna und ich ins Gespräch. Ihr fehlte ein Abnehmer für die weiblichen Kälber, die sie selber nicht zur Zucht nutzen möchte. Wir suchten möglichst nach Kälbern aus einem Bestand, um das Erkrankungsrisiko zu minimieren. Perfect match!
Kommende Woche stallen wir nun die dritte Gruppe von Anna auf. Die Tiere sind vital und umgänglich, werden auf dem Herkunftsbetrieb anfangs mit dem Kolostrum der eigenen Mutterkuh getränkt und bekommen im Anschluß Vollmilch ad libitum, also soviel, wie die Kälber mögen. Die Kälber kommen je nach Geburtenaufkommen mit einem Mindestalter von 14 Tagen zu uns, meistens sind sie jedoch schon älter. In den ersten Monaten stallen wir die kleinen Fleckis direkt an unserer Diele auf. In Fünfer- oder Vierergruppen werden die Tiere bis zu einem Alter von ca. drei Monaten mit Nuckeleimern getränkt. Wenn man unbedingt einen Vergleich suchen möchte, entspricht das der Fläschchenernährung bei menschlichen Babys. Zusätzlich bekommen sie Heu und ein gentechnikfreies Kälbermüsli. Selbstverständlich können alle Tiere frei Wasser saufen. Nach ein paar Monaten wird der Strohstall auf der Diele zu klein für unsere Mädels. Dann heißt es umziehen in das nächste Gebäude.
Mit Panelen bauen wir einen Treibegang von der Diele zum nächsten Stall. Die Kälber kennen den Weg schon. Beim Abmisten der Ställe teilen sich die beiden Gruppen für wenige Stunden die Ställe, getrennt durch eine Metallpforte. Das Umteiben dauert nur wenige Minuten. Der nächste Stall ist ebenfalls ein Tiefstall, der mit Stroh eingestreut wird. Mittlerweile fressen die Kälber auch schon Mais und zusätzlich, quasi als Bonbon, bekommen die Tiere zweimal täglich einen 10 l Eimer Fertigfutter in Pellets. Auch dieses Futter ist gentechnikfrei.
Spätestens in diesem Stall werden wir oft gefragt, warum unsere Tiere keine Hörner tragen. Die meisten Kälber kommen schon ohne Hornansatz zu uns, da Anna gerne genetisch hornlose Bullen (also deren Sperma) bei der Besamung einsetzt. Einzeltiere werden von uns enthornt. In der heutigen Zeit ist das für die Tiere nicht komplett schmerzlos, aber dennoch gut zu ertragen. Zuerst werden die Tiere von uns betäubt. Wenn der Dämmerschlaf eintritt, rasieren wir mit einem kleinen Akkurasierer rund um den Hornansatz die Haare weg. Dann bekommt das Kalb vorsorglich ein Schmerzmittel gespritzt. Zusätzlich kann man Arnica als Globuli geben. Das Enthornungsgerät wird zwischenzeitlich vorgeheizt. Es hat ein bisschen Ähnlichkeit mit einem Lötkolben. Vorne besteht das Gerät aus einem runden, ungefähr daumendicken, hohlen Metallrohr. Dieses Rohr wird nun um den Hornansatz auf die Haut gedrückt und langsam gedreht. Damit durchtennen wir die Versorgung des Hornes und unterbinden das weitere Wachstum. Das Kalb schläft sich ordentlich aus und ist nach ein paar Stunden wieder komplett fit.
Zum einen können sich die Tiere so untereinander weniger Verletzungen zufügen, zum anderen sinkt für uns im Umgang mit den Fleckis das Risiko. Auch in der freien Wildbahn stossen sich die Tiere gegenseitig, um Rangkämpfe auszufechten. Oft hat das schwerwiegende Folgen für verletzte Rinder, da die Hörner sehr hart und spitz sein können.
Aber zurück zur Aufstallung. Da wir ausschließlich unsere vorhandenen Altgebäude nutzen, hat dieser Stall keinen Weideanschluss. Allerdings bleibt das Schiebetor aus Holz meistens weit geöffnet, um den Tieren den Kontakt und den Blick nach draußen zu ermöglichen. Hier bleiben die Jungrinder bis sie knapp ein Jahr alt sind, immer abhängig davon, wann der nächste Stall frei wird. Ungefähr alle sechs Wochen misten wir die beiden Ställe ab. Der Mist wird entweder direkt als Dünger ausgebracht auf unseren Feldern oder wir lagern ihn im Winter, unter Folie, auf den Maisflächen für das kommende Jahr.
Wie schon gesagt, wir nutzen unsere Altgebäude. Nun kommen wir zu unserem einzigen Stall, der mit Vollspalten ausgestattet ist. Für die Klauen der Rinder ist es gar nicht verkehrt, auch mal auf festem Untergrund zu laufen. Im Tiefstall nutzen die Klauen wenig ab, die rauen Betonspalten wirken dagegen wie eine Nagelfeile. In den wärmeren Monaten bietet dieser Stall zudem die Möglichkeit, die Weide im Anschluss zu nutzen. Unsere Fleckis kommen dann nur zum Zufüttern in den Stall oder um zu Saufen. Manchmal nutzen sie auch die kühleren Spalten, um im Sommer vor der großen Hitze zu fliehen.
Ursprünglich war das Gebäude als Jungviehstall geplant. in den 70ern war es modern, Tiere auf Vollspalten oder in Anbindeställen zu halten. Die Tiere wurden damals oft sehr eng aufgestallt. Genutzt wurde der Stall jahrzehntelang als Bullenstall. Hier wurden die eigenen Bullenkälber und Zukaufstiere bis zur Schlachtreife gemästet. Zu Spitzenzeiten fanden mehr als 40 Tiere Platz in dem Stall. Zum Vergleich: Wir stallen heute maximal 20 Tiere ein, die mit ungefähr eineinhalb Jahren in das alte Dreschhaus umziehen.
Das alte Dreschhaus. Bald 200 Jahre alt und klimatisch gesehen ein genialer Rinderstall. Hier leben unsere ältesten Fleckis. Viel Platz für die großen Tiere, ein sehr hohes Luftvolumen, da bis in den First kein Boden eingezogen ist und der Weidezugang zeichnen diesen Stall aus. Die "Großen" sind dann je nach Entwicklung ungefähr zwei Jahre bei uns, bevor sie verkauft werden. Einen kleineren Teil der Tiere vermarkten wir direkt an unsere Kunden, noch geht der größere Teil an einen Viehhändler aus der Region, der die Tiere an größere Schlachthöfe vermarktet. Aber auch daran arbeiten wir.
Auf den Bildern unten seht ihr unsere "Großen". Florian hat die tollen Bilder gestern abend beim Streuen gemacht. Ein bisschen könnt ihr sogar die alte Bausubstanz erahnen. Und natürlich ist Rieke mit von der Partie, Mäuschen suchen.
in den kalten Monaten bleiben bei uns alle Tiere im Stall. Die Weiden am Hof sind abgegrast und matschig, würden die Rinder weiter in den Wiesen laufen, wäre die Grasnarbe innerhalb kürzester Zeit kaputt.
Auch wenn wir "nur" Mastvieh halten, unsere Mädels liegen uns sehr am Herzen, egal ob niedliches Kalb oder ausgewachsenes Rind. Wir achten die Rinder und gerade in einem kleinen Betrieb wie dem unseren ist es eher möglich, sich um einzelne Tiere zu bemühen. Es gibt immer besondere Kälber in jeder Gruppe, die sofort nach vorne kommen, wenn wir den Stall betreten, es gibt die zurückhaltenden, die nicht so gerne angefasst werden möchten.
Momentan ist es nicht besonders populär, Tiere wegen ihres Fleisches zu halten. Wir tierhaltenden Landwirte stehen arg in der Kritik, hier und da vermutlich auch zu Recht. Dennoch wird niemand gezwungen, Fleisch zu essen. Wer aber Fleisch isst, hat es in der Hand, wie Tiere gehalten werden. Macht euch ein Bild dazu, fragt nach auf den Höfen. Wer nicht selber auf einem landwirtschaftlichen Betrieb lebt und arbeitet, kann nicht wissen, wie alles funktioniert. Verlasst euch nicht auf dubiose Filmaufnahmen, sondern lasst euch zeigen, woher euer Fleisch stammt. Am besten direkt vom Landwirt selber.
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