Am Montag war in der Neuen Osnabrücker Zeitung ein Interview mit dem Präsidenten des deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied abgedruckt. Unter anderem äußerte er sich besorgt über die Zunahme von Mobbingfällen gegenüber Landwirtsfamilien und speziell deren Kindern. Immer wieder kann man über Bauernmobbing in der landwirtschaftlichen Fachpresse oder anderswo lesen.
Kein einfaches Thema. Wer redet schon gerne über zwischenmenschliche Probleme, und nichts anderes ist Mobbing.
Mir ist das Thema aus meiner Kindheit auch nicht fremd und so entstand schon am Frühstückstisch ein interessantes Gespräch mit unseren Söhnen. Zwei schüttelten mit dem Kopf und hatten während ihrer Schulzeit keine nennenswerten Probleme in dieser Richtung. Eines unserer Kinder nickte aber und bestätigte, dass seine Zeit in der Schule nicht immer schön und freundlich war. Seine Sichtweise auf die Dinge war aber anders, als ich sie erwartet hätte.
" Nee, an unserem Hof lagen die Probleme nur bedingt." Seiner Meinung nach sind Hofkinder oft anders als der Mainstream. Früh mussten unsere Kinder mit sich selber spielen, Spielkreis, Krabbelgruppe, für all diese Dinge hatte ich damals vermeintlich keine Zeit. Unsere Jungs spielten nicht Nintendo oder Playstation, sondern imitierten gemeinsam mit anderen Landkindern unser Tun. Gülle fahren mit dem Trampeltrecker, Zuchtviehmarkt spielen oder das erste Mal alleine grubbern mit dem großen Trecker. Ein Highlight von vielen im Jahr war und ist das Silieren inklusive dem Abdecken mit Siloplane und dem anstrengenden Reifenschmeißen. Für Kinder, die nicht vom Hof kommen, nicht besonders attraktive Dinge.
Viele Aufgaben mussten unsere Söhne und auch die Kinder anderer Landwirtsfamilien früh selber meistern. Als Eltern ist man morgens oft noch im Stall, wenn die Kinder zur Schule gehen. Und Klassenfeste und Fußballabschlüsse müssen dann und wann ohne oder nur mit einem Elternteil besucht werden, weil gerade die Ernte in vollem Zug ist oder gemolken wird. "Das macht sehr selbstständig und wir haben früh eine eigene Meinung entwickelt. Die war nicht immer richtig, aber wir haben sie vertreten und machen das heute auch noch. Wenn man dann noch etwas lauter ist und nicht zurückstecken möchte oder kann, wird es schon mal brenzlig mit anderen Schülern. Es lag nicht nur an den anderen. Manche Sachen lagen an mir und nicht an meiner Herkunft vom Hof." Das sagte mein Sohn zu mir. Besser wurde die Situation erst in der 8.Klasse, als andere "Landeier" als Rückläufer vom Gymnasium an die örtliche Schule kamen. Dabei einige tolle Jungs, denen Treckerfahren auch näher liegt als Computer spielen oder nachmittägliche Treffen mit Freunden.
Wenn Kinder heute gemobbt werden, nimmt dieses Verhalten andere Formen an. Geärgert wird nicht nur auf dem Schulhof oder in der Kita, sondern per Facebook, Instagram und anderen Internetplattformen 24/7. Also nie Pause, keine Chance auf Entspannung und Konfliktabbau. Von allem und jedem werden Fotos und Videos gemacht und gepostet, ohne zu überlegen, welche Konsequenzen das hat.
In meiner eigenen Schulzeit war das anders: Klassenkameraden aßen meinen Geburtstagskuchen nicht und in der christlichen Jugend war ich über. Nicht immer lag das Problem an der Herkunft vom Bauernhof. Genauso wie unser Sohn war ich nur bedingt für die zweite Reihe geeignet. Weh getan hat "du stinkst" oder das giftige "ihr könnt ja noch nicht mal in der Urlaub fahren" trotzdem. Aber wenn ich zuhause war, konnte ich abschalten. Und auch bei mir hat sich später vieles geändert. Nach wie vor bin ich stolz und dankbar, eine Kindheit auf dem Hof erlebt zu haben. Wie arm muss es in denjenigen aussehen, die mich geärgert haben?
Als wir Kinder waren, wurde über solche Probleme einfach nicht so offen geredet wie heute. Welche Eltern gestehen sich schon gerne ein, dass ihre Sprösslinge nicht glücklich sind? Probleme beim Namen benennen war früher noch schwerer als heute. Und wir Kinder rannten nicht nach Hause und heulten los. Spätestens wenn man den Bus verlassen hatte, war die Welt wieder in Ordnung. Es gab ja noch kein Internet und keine Smartphones. Gottseidank!
Ich glaube nicht, dass heute mehr gemobbt wird wie vor einigen Jahrzehnten. Die Art hat sich verändert. und wenn der Streit auf Kinderebene entsteht, sind bald Eltern, Erzieher und Lehrer mit im Boot. Jeder beurteilt das Fehlverhalten der anderen und weiß genau, wie es besser geht. Wir sind alle die besten Pädagogen, Landwirte, Journalisten, Handwerker und so weiter. Fußball können wir vom Sofa aus alle exzellent spielen, trotz Übergewicht und Hüftprothese. Die Flaschen auf dem Feld - alles Idioten.
Und gerade uns Landwirte und Landwirtsfamilien betreffend: Genauso wie in vielen anderen Bereichen ist nicht alles Gloria auf den Höfen. Es gibt nicht das eine richtige Haltungskonzept und wir werden es nie allen recht machen können. Dennoch sollten wir stolz darauf sein, das unsere Kinder so aufwachsen können. Dieser Stolz macht sie stark und lässt sie über manch "dummes Gelaber" hinweg hören. Mobbing ist schlimm und durch nichts zu rechtfertigen, aber wir können nicht jeden für uns begeistern. Es würde schon reichen, wenn das Auftreten, das Erscheinungsbild und den Beruf von anderen wenigstens zu einem Teil einfach mal akzeptiert würde, aus Sicht und auf Sicht der Landwirte. In diesem Sinne wünsche ich allen Landwirtsfamilien eine gute Zeit mit ihren Kindern und die Chance, über manche Dinge gelassener Hinwegsehen zu können. Wir werden nie alle für uns und unser Tun begeistern, damals nicht und heute nicht.
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